Die in der Schweiz zum Betrieb der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung zugelassenen Versicherungseinrichtungen bilden und betreiben gemeinsam den Nationalen Garantiefonds. Der NGF ist ein Verein und hat eine eigene Rechtspersönlichkeit. Artikel 76, 76a und 76b des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) regeln die Aufgaben und die Finanzierung des Nationalen Garantiefonds.
Die gesetzlichen Aufgaben des NGF bestehen in der Deckung von Schäden, die in der Schweiz und in Liechtenstein durch nicht ermittelte oder nicht versicherte Motorfahrzeuge und Anhänger verursacht werden. Gemäss SVG muss eine Versicherungspflicht bestehen (Art. 76 Abs. 2 lit. a Ziffer 1 SVG). Ebenfalls gedeckt wird die Haftung für Schäden, die durch Radfahrende oder Benutzer und Benutzerinnen fahrzeugähnlicher Geräte verursacht werden. Vorausgesetzt wird, dass Schädigende nicht ermittelt werden können oder Schäden weder von Schädigenden noch von einer Haftpflichtversicherung noch von einer verantwortlichen Person oder einer anderen Versicherung gedeckt werden (Art. 76 Abs. 3 lit. a Ziffer 2 SVG).
Seit dem 1.1.2024 ist der NGF nicht mehr für die Abwicklung der Schäden des konkursiten Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherers zuständig. Er bezahlt den anspruchsberechtigten Personen gegen Aushändigung des Verlustscheins denjenigen Teil der Ansprüche aus, für den die Konkursverwaltung einen Verlustschein ausgestellt hat (Art. 76 Abs. 4 lit. a SVG).
Der NGF wird im Sanierungsverfahren eines Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherers deckungspflichtig, wenn die FINMA eine Kürzung der Schadenzahlungen vorsieht. Der NGF übernimmt die Differenz zwischen den vom zuständigen Versicherer insgesamt geschuldeten Schadenzahlungen und den geschuldeten Leistungen nach erfolgter Kürzung (Art. 76 Abs. 4 lit. b SVG i.V. mit Art. 54a VVV).
Die Schadenregulierung erfolgt durch Unterzeichner des Swiss Interclaims Agreements. Grundlage dieser Zusammenarbeit ist das Schadenreglement von NVB & NGF.
Die Aufgaben des liechtensteinischen Nationalen Garantiefonds werden durch den schweizerischen NGF wahrgenommen (Art. 1 des Notenaustausches vom 3. November 2003 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über die Schadendeckung bei Strassenverkehrsunfällen).
Die Passivlegitimation kommt bei einem Prozess zur Geltendmachung eines Anspruchs aus einem Verkehrsunfall (Art. 76b Abs. 1 SVG) dem NGF zu. Eine Klage muss gegen den NGF und nicht gegen dessen Vertreter gerichtet werden. Vertreter des NGF sind z.B. die Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG oder eine andere Mitgliedsgesellschaft.
Gemäss Art. 38 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind die folgenden Gerichte zuständig:
Der NGF hat seinen Hauptsitz beim geschäftsführenden Versicherer Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG in Zürich. Zweigniederlassungen hat er in Lugano und in Lausanne.
Für Personen mit Wohnsitz in Liechtenstein sind neben dem Gericht am Unfallort auch die Gerichte am liechtensteinischen Wohnsitz der klagenden Partei sowie am Sitz oder Ort einer Zweigniederlassung des NGF zuständig (siehe Notenaustausch zwischen der Schweiz und Liechtenstein).
Bei Schäden, die durch nicht ermittelte oder nicht versicherte Motorfahrzeuge, Anhänger und Fahrräder verursacht werden, ist die Leistungspflicht des NGF lediglich subsidiärer Natur. Sie entfällt, wenn Geschädigte Leistungen aus einer Schadens- oder einer Sozialversicherung beanspruchen können (Art. 76 Abs. 6 SVG). Geschädigte müssen sich zur Deckung ihrer Schäden in erster Linie an diese Versicherungen halten. Letzteren steht kein Regressrecht gegen den NGF zu. Der NGF kommt lediglich für den durch Schadens- und Sozialversicherungen nicht gedeckten, gemäss Strassenverkehrsgesetz geschuldeten Direktschaden auf.
Bei Sachschäden durch nicht ermittelte Motorfahrzeuge, Anhänger und Fahrräder (vgl. Art. 76 SVG) gilt ein Selbstbehalt von CHF 1000 pro geschädigte Person. Dieser entfällt, wenn Schädigende aus denselben Ereignissen für erhebliche Personenschäden haften (Art. 52 Abs. 3 VVV). Ein erheblicher Personenschaden liegt vor, wenn er nach objektiven Massstäben eine ärztliche Konsultation (Arzt- oder Spitalbesuch) notwendig macht.
Hat sich der Unfall in Liechtenstein ereignet, ist eine abweichende Regelung anwendbar. Gemäss der liechtensteinischen Verkehrsversicherungsverordnung VVV beträgt der Selbstbehalt EUR 500 oder der Gegenwert in Schweizer Franken (Art. 53 Abs. 3).
Der NGF behandelt Schadenfälle nicht selbst. Er wird in dieser Aufgabe durch seine Mitgliedsgesellschaften vertreten, die im Einzelfall entschädigt werden. Die Entschädigung der Gesellschaften tangiert die an die Geschädigten gerichteten Schadenzahlungen nicht. Eine Gebührenordnung wurde 2009 beschlossen und 2012 revidiert. Sie ist anwendbar auf alle am 1.5.2012 bei den beauftragten Regulierungsstellen pendenten und künftigen Schadenfälle.
Der NGF versucht in allen Schadenfällen, die Kosten bei den Verursachenden zurückzufordern. Es steht ihm ein vollumfängliches Rückgriffsrecht auf geleistete Entschädigungen zu. Im Vergleich zu den Schadenzahlungen sind die daraus generierten Regresseinnahmen tief, da in den meisten Fällen die Unfallverursachenden nicht ermittelt werden können.