Per 1. Januar 2024 sind verschiedene Änderungen des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) und der Verkehrsversicherungsverordnung (VVV) in Kraft getreten, welche den Nationalen Garantiefonds Schweiz (NGF) betreffen.
Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sieht seit 1.1.2024 ein Sanierungsrecht Versicherungen vor. Der Zweck besteht darin, Versicherungsunternehmen in Schieflage nicht direkt zu liquidieren, sondern mittels verschiedener Mittel zu sanieren. Für sanierungsbedürftige Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherer sieht dieses neue Recht eine Rolle für den NGF vor.
Der NGF wird im Sanierungsverfahren eines Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherers deckungspflichtig, wenn die FINMA eine Kürzung der Schadenzahlungen vorsieht. Der NGF übernimmt die Differenz zwischen den vom zuständigen Versicherer insgesamt geschuldeten Schadenzahlungen und den geschuldeten Leistungen nach erfolgter Kürzung (Art. 76 Abs. 4 lit. b SVG i.V. mit Art. 54a VVV).
Weitere Neuerungen betreffen die Konkursdeckung des NGF. Neu ist der NGF nicht mehr für die Abwicklung der Schäden des konkursiten Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherers zuständig. Er bezahlt den anspruchsberechtigten Personen gegen Aushändigung des Verlustscheins denjenigen Teil der Ansprüche aus, für den die Konkursverwaltung einen Verlustschein ausgestellt hat (Art. 76 Abs. 4 lit. a SVG).
Damit Geschädigte nicht den Abschluss des Konkursverfahrens abwarten müssen, um Leistungen aus dem erlittenen Schadenfall zu erhalten, sieht die neue Regelung eine vorgezogene Regulierung vor (Art. 54b Abs. 2 VVV). Diese erfolgt auf Antrag der geschädigten Person. Der NGF bezahlt den noch offenen Betrag, wenn:
Die geschädigte Person muss der Regulierung ihres Schadens auf Basis des von der Konkursverwaltung mitgeteilten Betrags schriftlich zustimmen.
Seit dem 1.1.2024 ist die Konkursdeckung des NGF an eine betragliche Obergrenze gekoppelt, die vom Bundesrat festzulegen ist. Die Limite gilt auch für die Leistungen des NGF im Sanierungsfall (Art. 76 Abs. 5 lit. b SVG).
Art. 54b Abs. 1 VVV sieht neu vor, dass der NGF Sanierungs- und Konkursfälle bis zu einem Betrag von CHF 700 Mio. decken muss. Die Mittel sind in der Bilanz des NGF als Aktive auszuweisen. Ist die Summe noch nicht verfügbar, muss sie gemäss Art. 54b Abs. 7 VVV innert einer angemessenen Zeit geäufnet werden. Die Mittel werden bekanntlich von den Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherern bei den Motorfahrzeughaltern erhoben (Art. 76a Abs. 1 SVG). Die entsprechenden Beiträge dienen der Äufnung der für die Sanierungs- und Konkursdeckung erforderlichen Mittel und auch der Deckung der übrigen Aufgaben des NGF. Wird die Konkurs- oder Sanierungsdeckung beansprucht, bevor die Mittel in der erwähnten Höhe vorhanden sind, wird eine nachträglich Erhebung bei den Motorfahrzeughaltern notwendig.
Die nach Eröffnung eines Sanierungs- oder Konkursverfahrens durch den NGF zu leistenden Zahlungen werden während 5 Jahren ab Eröffnung des Verfahrens an die Obergrenze von CHF 700 Mio. angerechnet. Wird innerhalb dieser Frist mehr als ein Verfahren eröffnet, so ist für die Reihenfolge der Inanspruchnahme des NGF der Zeitpunkt der Eröffnung des Sanierungs- oder Konkursverfahrens für alle Zahlungen aus dem jeweiligen Verfahren massgebend. Wird die Obergrenze voraussichtlich überschritten, werden die vom NGF geschuldeten Leistungen innerhalb eines Sanierungs- oder Konkursverfahrens für alle Berechtigten nach gleichen Anteilen derart gekürzt, dass sie zusammen nicht mehr als CHF 700 Mio. ergeben.
Das bisherige Recht sah bereits den Eintritt des NGF in die Rechte der geschädigten Person für die von ihm gedeckten gleichartigen Schadensposten mit der Zahlung der Ersatzleistung vor. Dabei wurde allerdings nicht zwischen dem Sachverhalt unterschieden, in welchem der Verursacher nicht oder nur ungenügend versichert war, und jenem, in welchem gegen den deckungspflichtigen Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherer ein Konkursverfahren eröffnet wurde. Damit stünde dem NGF im Konkurs grundsätzlich ein Rückgriff auf die Motorfahrzeughalter zu. Nachdem diese Konsequenz weder billig noch als vom Gesetzgeber erwünscht erschien, steht dem NGF seit dem 1. Januar 2024 in Sanierungs- und Konkursfällen einzig ein Regressrecht zu, wenn der Schaden grobfahrlässig oder absichtlich verursacht wurde (Art. 76 Abs. 8 SVG).